Der Gebäudekomplex der früheren Büssingwerke in der Gegenwart und etwa im Jahre 1930

Die Firma Büssing wurden im Jahre 1903 von Heinrich Büssing (1843-1929) gegründet. Das Unternehmen produzierte mit zunehmenden Erfolg Lastkraftwagen und Omnibusse. Im Laufe der Jahre konnte das Unternehmen seine Produktion beachtlich ausweiten und begann seine Fahrzeuge sogar außerhalb Europas zu exportieren, so dass der Braunschweiger Löwe als Emblem auch internationale Bekanntheit erlangte. Während des Zweiten Weltkrieges stellte das Unternehmen auf Rüstungsproduktion um und stellte LKWs für die Wehrmacht her. Durch Luftangriffe in den letzten Kriegsmonaten wurden die Fabrikhallen stark beschädigt und die Fertigung darauf hin überwiegend eingestellt. Nach Kriegsende wurde die Fahrzeugproduktion wieder aufgenommen. Im Jahre 1971 wurde die Firma vollständig vom Unternehmen MAN übernommen.

Bereits seit Oktober 1942 versuchte die Firma beim Rüstungskommando Braunschweig strafgefangene Facharbeiter zu organisieren. Von 1943 bis 1944 arbeiteten drei Kolonnen Häftlinge aus dem Strafgefängnis Wolfenbüttel bei der Firma. Weiterhin wurden zivile Zwangsarbeiterinnen und ZWangsarbeiter aus verschiedenen Ländern in der Fahrzeugproduktion eingesetzt. Ab Ende 1941 konnten Unternehmen KZ-Häftlinge als Arbeitskräfte beim Wirtschaftsverwaltungshauptamt (WVHA) anfordern. Auch die Firma Büssing beantragte eine Zuteilung von Arbeitskräften. Mitte August 1944 fuhren zwei Vertreter der Firma Büssing, Ingenieur Pfänder und der kaufmännische Angestellte Scholmeyer, in das KZ Auschwitz, um 1.000 bis 1.200 geeignete Männer als Zwangsarbeiter auszuwählen. Bei der Auswahl reichte meistens eine mündliche Erklärung über die Fertigkeiten aus, die nur selten durch gezielte Fachfragen geprüft wurde. Ausschlaggebend war vorrangig eine gute körperliche Verfassung der Menschen.

Die Häftlinge arbeiteten in zwei Schichten, einer Tagschicht von 6 bis 18 Uhr und einer Nachtschicht von 18 bis 6 Uhr. Während der 12-stündigen Arbeitszeit war eine Pause von 30 Minuten Dauer vorgesehen, zu der es eine warme Mahlzeit gab. Alle Häftlinge mussten Stempelkarten nutzen und wurden in drei Abteilungen eingesetzt: In der Ersatzteilabteilung in der Reparaturabteilung für Maschinen und im ‘Diesel-Bunker’, wo Motorengehäuse verarbeitet wurden. Angeleitet wurden sie dabei meist von deutschen Facharbeitern. Darüber hinaus war der Kontakt zu anderen Personen streng verboten. Aufgrund der körperlichen Anstrengung und der damit verbundenen fortschreitenden Entkräftung, dem Hunger und den Krankheiten, nahm die Produktivität der Arbeiter beständig ab. Trotzdem zwang die SS auch nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge zum täglichen Marsch zu den Arbeitsstätten.

Der ehemalige Häftling Jerzy Herzberg (*1929) berichtete über die Zwangsarbeit in den Büssingwerken:

Die Arbeit in der Fabrik war jedoch recht einfach und wir hatten oft nichts zu tun, wenn der Nachschub (die Zulieferung) nachließ. Die Wachen waren, wenn wir erst die Fabrik erreicht hatten, kaum zu sehen, dennoch würde eine Flucht nicht einfach sein und wurde auch nicht einmal erwogen. Aber wir mussten zu jeder Zeit wachsam sein, da ein Nachlassen der Konzentration einen hohen Preis kosten konnte. Natürlich, eine 12-Stunden-Schicht, sieben Tage oder Nächte, in alternierenden [sich abwechselnden] Wochen, war erschöpfend und ich verspürte einen akuten Schlafmangel. Unsere Müdigkeit gab den Wachen die Möglichkeit, ihre Bösartigkeit auszuleben, und auf dem Weg von und zur Fabrik stießen sie uns mit Gewehren, wenn wir beim Marschieren nicht Schritt hielten (…).

(Quelle: Liedke, Karl / Zacharias, Elke: Das KZ-Aussenlager Schillstrasse. Der Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen bei der Firma Büssing. Braunschweig 1996, S. 34)