Die Baracke zur Unterbringung kranker Häftlinge, 02.03.1945 (Foto, Ausschnitt: Luftbilddatenbank Dr. Carls, 4167_106G-4588)

Das Gebäude wurde, wie die übrigen Baracken, aus Ziegelhohlsteinen und Betonplatten errichtet und zur Unterbringung von kranken und nicht mehr arbeitsfähigen Häftlingen genutzt. In einem abgetrennten Bereich wurden Leichen verstorbener Häftlinge bis zur Abholung verwahrt.

Innerhalb kürzester Zeit breiteten sich im Lager Läuse aus und viele Häftlinge litten aufgrund der sehr eingeschränkten Waschmöglichkeiten an Geschwüren oder Hautkrankheiten. Kranke Häftlinge wurden vielfach weiterhin zum Arbeitseinsatz geschickt. Die medizinische Versorgung der Häftlinge war Aufgabe der SS, welche die Aufgabe allerdings an Häftlinge übertrug, die als Ärzte und medizinisches Personal eingesetzt wurden. Einige von ihnen waren ausgebildete Ärzte, konnten aufgrund der fehlenden technischen Ausstattung und Mangel an Medikamenten die Kranken allerdings nur unzureichend versorgen. Viele Häftlinge waren bereits bei Ankunft in Braunschweig in schlechter körperlichen Verfassung. Bereits nach wenigen Monaten war das Krankenrevier vollkommen überbelegt. Anfang 1945 wurden zur Entlastung etwa 200 Kranke zur Behandlung in das KZ Salzgitter-Watenstedt verlegt.

Häufige Todesursachen waren Schwäche, Durchfall, Typhus und Tuberkulose. Die Toten wurden entkleidet, ihnen die Häftlingsnummer auf die Brust geschrieben und das Zahngold herausgebrochen. Die Leichen wurden in einem Raum des Krankenreviers verwahrt und ein paar Tage später von einem LKW der Firma Büssing abgeholt. Zunächst wurden die Leichen einzeln in Papiersäcke eingehüllt. Nach Anstieg der Todeszahlen ab etwa November 1944 wurden die Leichen gesammelt in einer großen Holzkiste transportiert. Die Leichen wurden ins KZ Salzgitter-Watenstedt überführt und anschließend auf dem Friedhof Jammertal bei Salzgitter-Lebenstedt bestattet. Ab Mitte Januar 1945 wurden etwa 80 Leichen auch im Krematorium des Braunschweiger Hauptfriedhofes eingeäschert und die Überreste auf dem Jüdischen Friedhof bestattet.

Eine genaue Anzahl der in den Lagern in Braunschweig und Vechelde verstorbenen Häftlinge lässt sich aufgrund fehlender Quellen und nicht einheitlicher Zeugenaussagen nicht genau ermitteln. Nachweislich wird die Gesamtanzahl der Toten in Braunschweig und Vechelde im niedrigen dreistelligen Bereich gelegen haben. Einige Schätzungen gehen sogar von mehr als 300 Toten aus. In Vechelde war die Todesrate im Vergleich allerdings deutlich niedriger als im Braunschweiger Lager an der Schillstraße.

Der ehemalige Häftling Dr. Georges Salan (1901-1981), der als Arzt im Krankenrevier eingesetzt war, berichtete über die Zustände in der Baracke:

Im Dezember 1944 wurde die Lage unerträglich […]. Zu dieser Zeit gab es im Krankenrevier 18 dreistöckige Pritschen, es gab also Platz für 54 Kranke, da aber manche Pritschen von zwei Kranken belegt wurden, befanden sich durchschnittlich 60 Kranke im Krankenrevier, die an Durchfall, Ödem u.ä. litten, und die nicht aufstehen konnten. Wir hatten keine Nachttöpfe o.ä., so dass wir jeden Morgen zuerst den Raum mit Hilfe von Eimern und Kehrschaufeln sauber mache mussten, weil die Kranken ihre Notdurft auf dem Weg zur Toilette zwischen den Pritschen verrichtet hatten. Dieses ,Saubermachen‘ war eigentlich nichts anderes als beseitigen von Fäkalien. Das Krankenrevier sah jeden Morgen wie ein Schweinestall aus.

(Quelle: Liedke, Karl: Das KZ-Außenlager Schillstraße in Braunschweig 1944-1945. Braunschweig 2006, S. 35)

Der ehemalige Häftling Michael Gumaner berichtete über die Zustände im Krankenrevier:

Die ärztliche Betreuung war gänzlich unzureichend. Für sämtliche Häftlinge stand ein Arzt zur Verfügung. Es war ein Häftling, Franzose, und er hatte ca. 550-800 Personen zu betreuen. Dadurch, dass er ein Häftling war, waren seine Möglichkeiten äußerst beschränkt. Medikamente und Instrumente standen ihm kaum zur Verfügung. Gleichfalls hatte er keinen Raum, um die Häftlinge zu behandeln. […] Durch die geringe Verpflegung, die unzureichenden Mittel zur Körperpflege, durch die Folgen der Misshandlungen sowie die geringe ärztliche Hilfe nahm die Todeskurve rapide zu. Wir hatten mitunter täglich 8 – 10 Todesfälle zu verzeichnen.

(Quelle: Vögel, Bernhild: Denkstätte Schillstraße. Materialien für Schule und Bildungsarbeit. Braunschweig 1998, S. 33)

Der bei der Firma Büssing beschäftigte deutsche LKW-Fahrer Erich Meyer berichtete im Rahmen des Ermittlungsverfahrens in der Nachkriegszeit am 26.11.1945 über den Transport der Leichen:

Meine Arbeit in dem Jahre 1944 bestand hauptsächlich in der Ausführung der Fahrten von Braunschweig nach dem Ausweichwerk Vechelde […]. Ich fuhr bei diesen Fahrten vom Werk nach der Schillstraße, dort wurden auf meinen Wagen Kranke und Leichen aufgeladen, von dort fuhr ich dann nach Vechelde, wo ich nochmals evtl. Leichen und auch kranke Häftlinge aufladen musste […]. Von Vechelde aus fuhr ich dann mit meinem Wagen nach dem Lager Watenstedt (Drütte) und dort wurden die Kranken dem dort befindlichen Krankenrevier übergeben. Mit den Leichen fuhr ich dann noch ca. 100m weiter und diese wurden dann in einem stallähnlichen Schuppen untergebracht […]. Die Verpflegung wurde auf demselben Wagen gefahren, mit dem ich vorher die Leichen nach Drütte gebracht hatte. Die Leichen, die z.T. bereits eine Woche in Braunschweig bzw. Vechelde lagen und deren Zustand dementsprechend war, waren in Papiertüten verpackt. Da die Leichen z.T. bereits in Verwesung übergegangen waren, sind diese Papiertüten oft durchgeweicht und der Wagen, auf dem ich dann wieder Brot usw. laden musste, war beschmutzt.

(Quelle: Vögel, Bernhild: Denkstätte Schillstraße. Materialien für Schule und Bildungsarbeit. Braunschweig 1998, S. 30f.)